Haushaltsrede zum Haushalt 2024 unseres Fraktionssprechers Patrick Heuwes vom 25.04.2024
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
liebe Kolleginnen und Kollegen Ratsmitglieder,
liebe Damen und Herren von der Verwaltung,
lieber Herr Bürgermeister,
niemand hier und in irgendeinem Parlament der Welt erhöht gerne die Steuern.
Viel lieber würden wir uns für Überschüsse, Rücklagen und Steuersenkungen feiern lassen. Aber das wird wohl sehr lange nicht passieren.
Somit müssen wir aus dem, was wir haben, das Beste machen und verdammt noch mal Verantwortung übernehmen.
Die Antwort der Verwaltung auf die Haushaltsmisere ist eine Erhöhung der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer, so dass sich Gewerbe und Bürger*innen (die keine Gewerbetreibende sind) die Belastungen ungefähr teilen. Das erscheint uns fair.
Die Gewerbesteuer ist schnell erklärt. Der Gewerbebrtrieb macht Gewinn und davon muss er etwas abgeben. Viel Gewinn = viele Steuern und wenig Gewinn = wenig Steuern.
Die Grundsteuer B ist da schon anders. Sie ist eine Art Gebühr für das Wohnen in Lindlar. Sie wird unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bürger*in erhoben und richtet sich nach den Wohnverhältnissen. Um dabei die Menschen, die nur wenig zum Leben haben, nicht weiter zu belasten, hatten wir uns die „Soziale Grundsteuer“ ausgedacht. Leider mussten wir feststellen, dass die Idee zwar gut ist, aber nicht „mal eben“ umgesetzt werden kann. Dennoch, wir bleiben dran.
Um das einmal plastisch zu machen, nehmen wir meine Familie. Wir leben zu viert in einem für die Anzahl der Personen mehr als angemessen großem Einfamilienhaus mit einem moderaten Garten. D.h. unsere Wohnverhältnisse und somit auch unsere Grundsteuerlast dürfte über dem Lindlarer Durchschnitt liegen. Wir werden in 2024 ca. € 842.- zahlen müssen. Das ist sicherlich nicht wenig, aber andersrum lediglich 57 Cent/Kopf und Tag.
Für diese 57 Cent bietet Lindlar den Bürger*innen eine ganze Menge. Man kann die Gemeindestrassen nutzen (in Frankreich kostet ein Kilometer Autobahn 10 Cent Maut), im Freizeitpark spazieren, intakte Schulen nutzen, in Vereinen die Sportanlagen nutzen, es wird für Ordnung und Sauberkeit gesorgt, man ist Ansprechpartner und oft auch Helfer in mannigfaltigen Angelegenheiten und Lebenslagen, und vieles mehr.
Was bekomme ich sonst für 57 Cent? Für 10 Tage Lindlar kann ich in Köln gerade mal gut 2 Stunden parken oder eine Nacht die Bettensteuer für Auswärtige zahlen. Auf Norderney erhebt man auch € 5.- Kurtaxe pro Tag und da gehen meine Kinder nicht zur Schule. Mein so geliebter Döner kostet in Lindlar inzwischen € 6,50. Wenn man sich das alles vor Augen führt, sind € 0,57 pro Tag schon weiterhin fair.
Außerdem hatten wir seit der letzten Erhöhung der Grundsteuer B im Jahr 2021 eine Inflation von rund 19 Prozent. D.h. einen nicht kleinen Teil der jetzt anstehenden Grundsteuer B – Erhöhungen hätten wir eigentlich sukzessive die letzten Jahren schon vornehmen müssen.
Das alles soll heißen, ja, es ist schmerzlich, die Steuern erhöhen zu müssen, und die, die ihre Verantwortung wahrnehmen, werden dafür Prügel beziehen, aber es ist notwendig und vertretbar.
Bleibt die Frage, wie und in welcher Höhe? Und damit sind wir auch direkt bei den Vorschlägen der SPD.
Wie oben schon gesagt, halten wir eine gleiche Beteiligung von Gewerbetreibenden und Nicht-Gewerbetreibenden und somit den Verwaltungsvorschlag für fair. Der Vorschlag der SPD dagegen belastet das Gewerbe im Verhältnis viel stärker.
Absolute Nulllinie in 2024 und dann mal gucken?
Oder doch besser nachhaltige Finanzpolitik, die nicht nur auf ein Jahr schaut und eine sichere Perspektive für mehrere Jahre bietet?
Da sind wir Grünen im Team Nachhaltigkeit. Es ist absehbar, dass sich die finanzielle Situation Lindlars in den nächsten Jahren nicht signifikant verbessern wird. Wie lange wollen wir noch auf den Geldsegen warten? Wann wollen wir denn anfangen, solide zu wirtschaften? Lindlar hat jahrzehntelang über seinen Verhältnissen gelebt. Das darf nicht so weitergehen! Steuererhöhungen, die wir jetzt nicht machen, sind die Steuererhöhungen mit Zinseszins für die zukünftigen Generationen. Außerdem ist die Nulllinie ein gefährliches Spiel. Wenn Lindlar in 2024 nur ein paar mehr der dringend zu besetzenden offenen Stellen besetzen kann, wäre die Nulllinie schon Makulatur. Und das wegen etwas, was wir uns alle wünschen.
Kann man noch sinnvoll sparen?
Wir sagen nein. Nicht bei den sogenannten „freiwilligen Leistungen“, für die wir uns ganz bewusst entschieden haben, da sie Lindlar so lebenswert machen.
Jetzt Maßnahmen beim ISEK zu canceln, macht keinen Sinn. Das ISEK ist ein Gesamtkonzept. Das willkürliche Streichen macht es kaputt. Außerdem gute Sachen, die man für die Hälfte des Preises kriegt, abzulehnen, würde selbst der berühmten „Schwäbischen Hausfrau“ nicht einfallen. Und da denkt dann wohl die „Lindlarer Haushaltsführende Person“ nicht anders, zumal die großen Investitionsblöcke im ISEK sowieso früher oder später als notwendige Sanierung anfallen würden.
642 Schülerinnen und Schülern das Schülerticket und damit freie Fahrt mit Bus und Bahn bis über Köln hinaus wegzunehmen, um € 263.000.- zu sparen, steht für uns in keinem Verhältnis. Dadurch würde die Grundsteuer B Erhöhung um gut 30 Punkte sinken können, was in meinem Fall 3 Cent pro Tag wären. Dafür können die Schüler*innen nicht mehr mit Bus und Bahn fahren und werden im Zweifel von den Eltern mit dem Auto hin und her gebracht. Wirtschaftlich, familienpolitisch und noch viel mehr klimapolitisch absoluter Unsinn.
Die Verkehrswende funktioniert nur mit einem ÖPNV, der angenommen wird. Und kaum etwas fördert die Akzeptanz mehr, als schon im Kindesalter mit der ÖPNV-Nutzung aufzuwachsen. Der ÖPNV ist übrigens nicht nur Klimaschutz, sondern bedeutet vor allem soziale Teilhabe. Gerade die Kinder aus Familien, wo jeder Euro zweimal umgedreht werden muss, profitieren vom kostenlosen Schülerticket am meisten.
Wenn das Kind die Eltern fragt, warum das Kind und seine Freunde nicht mehr mit dem ÖPNV fahren können, wird es die Antwort der Eltern, „weil wir dadurch als Familie im Jahr gut € 30.- sparen“, bestimmt überzeugen. Nur zur Info: Eine Einzelfahrt nach Köln kostet € 9,70. Liebe SPD, sparen ist wichtig und viele eurer Vorschläge sind ja durchaus diskussionswürdig, aber das ist totaler Blödsinn. Es wird mir ein persönliches Vergnügen sein, im nächsten Jahr allen Eltern und Wähler*innen zwischen 16 und 18 Jahren davon zu erzählen. Wenn es sein muss, tanze ich das auch auf Tik Tok. Die unterirdische Finanzsituation von Lindlar haben die über 40-jährigen zu verantworten. Sie haben hier in Lindlar, angeführt von der CDU, Jahrzehnte auf Pump gelebt anstatt vernünftig zu wirtschaften und Rücklagen zu bilden. Dafür die Kinder und Jugendlichen bezahlen zu lassen, ist einfach unfair. Die werden noch früh genug Zins und Zinseszins zahlen.
Und wo wir gerade beim Klimaschutz waren: In dem Jahr, wo weltweit die Temperaturrekorde fallen wie auf der Kegelbahn, beim Klimaschutz zu sparen, wäre natürlich das völlig falsche Signal.
Wir alle sind gewählt worden, um zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger zu handeln und zu entscheiden.
Wir alle sind gewählt worden, um auch in schlechten Zeiten dafür zu sorgen, dass der Laden am Laufen bleibt und Lindlar lebenswert bleibt.
Wir alle sind dafür verantwortlich, dass die Menschen in der Verwaltung ihre Arbeit machen und für Lindlar ihr Bestens geben können.
Nur eine Partei scheint das vergessen zu haben. Die CDU hat nicht einen Vorschlag gemacht, wie dieser Haushalt verändert bzw. verbessert werden kann. Das ist ok, denn es gibt nichts zu verbessern. Aber wenn ich selber keine Ideen habe, darf ich den Haushalt nicht ablehnen, sondern sie sollten der Verwaltung, der Kämmerin und ihrem Bürgermeister dankbar sein, dass sie den Mangel, der auch unter jahrzehntelanger absoluter CDU-Mehrheit entstanden ist, so gut wie möglich verwaltet.
Stattdessen werden Fake-News von, sie würden ausgeschlossen, es gäbe eine Ampel, die alles regele, und ihre abgelehnten Vorschläge hätten zu viel mehr Einnahmen geführt, verbreitet.
Machen wir den Fakten-Check:
Dass es keine Ampel gibt, zeigen diese Haushaltsberatungen. Fake-News aufgedeckt.
Die CDU war zu allen Runden mit dem Bürgermeister eingeladen, bei „An der Jugendherberge“ hat die CDU jede Zusammenarbeit verweigert, bei Klause hat die CDU in der BGW mitgearbeitet und wurde nicht ausgeschlossen und jeder vernünftige Antrag der CDU im Rat hat eine Mehrheit gefunden. Wenn man allerdings Unsinn beantragt, wie etwa der „Willy-Millowitsch-Gedächtnisantrag“, kann man auch nicht auf Unterstützung hoffen. Fake-News aufgedeckt.
Die Vorschläge der CDU hätten zu viel Mehreinnahmen geführt? Zugegeben „An der Jugendherberge“ wäre bedeutend weiter, aber eben auch grottenschlecht und in ein paar Jahren würden die Nachbarn ggf. absaufen, weil das CDU-Gebiet kein Starkregenkonzept hatte. Aber ja, es wäre weiter. Wenn wir davon ausgehen, dass es komplett bebaut wäre (was unrealistisch ist), dann gäbe es jetzt 60 Grundsteuer B Zahler mehr. Was bei € 1.000.- pro Grundstück € 60.000.- Mehreinnahmen wären. Davon will aber auch der Kreis seinen Anteil haben, also kaum Mehreinnahmen. Gehen wir jetzt (wieder unrealistischer Weise) davon aus, dass in jedem Haus zwei Menschen leben, die Einkommenssteuer zahlen, dann wären das 120 Menschen mehr, von deren Einkommenssteuer wir einen Anteil bekommen. Stimmt aber auch nicht, denn auch da verdient der Kreis wieder mit und wir wollten ja an Lindlarer die Grundstücke verkaufen, d.h. das sind ja keine neuen Bürger*innen. Auch wenn es 120 Neubürger*innen wären, könnt Ihr uns doch nicht wirklich verkaufen wollen, dass die einen nennenswerten Beitrag zur Reduzierung eines Millionen-Haushaltsloch leisten. Fake-News aufgedeckt. Und Klause wäre kein bisschen weiter.
Das heißt es geht der CDU um das „Bestrafen der Ampel“ und ein kindisches Beleidigtsein, dass nicht mehr alle nach ihrer Pfeife tanzen.
Bestrafen der Ampel klappt schon mal nicht, weil es ja keine Ampel gibt (siehe oben). Wenn Ihr uns GRÜNE bestrafen wollt, dann herzlichen Glückwunsch! Wir sind total geknickt, fühlen uns ganz schlecht. Bitte habt uns wieder lieb! (Ironie off)
Ihr bestraft nicht uns, sondern Lindlar.
Aus einem Gefühl des Beleidigtsein heraus, den Lindlarerinnen und Lindlarern den Haushalt zu verweigern, hat Lindlar nicht verdient. Ego hin oder her aber hier geht es um Verantwortung.
Dass der Mann, der oberster Dienstherr der Menschen im Rathaus werden will, diesen die Arbeitsgrundlage schon verwehrt, bevor der Wahlkampf überhaupt begonnen hat, zeigt, worauf sich die Frauen und Männer der Verwaltung einstellen können, wenn die CDU wieder den Bürgermeister stellt.
Enthalten heißt, sich aus der Verantwortung stehlen, keine Entscheidung ist eine Entscheidung gegen Lindlar und die Menschen, die einen gewählt haben, damit man auch mal schwierige Entscheidungen trifft. Und es ist nicht das erste Mal. Auch beim Flächennutzungsplan habt Ihr Euch einfach davon gestohlen.
Im nächsten Jahr können die Menschen in Lindlar entscheiden:
Entscheidungsfreude und Verantwortungsbewusstsein oder sich aus allem raushalten!
Und so stehen wir hier am Spielplatz Lindlar.
Auf dem Spielplatz Lindlar wird es rauer. Der Eintritt muss erhöht werden, damit weiterhin alle Kinder spielen können. Die einen wollen den Spielplatz verkommen lassen, damit der Eintritt nicht ganz so stark steigt, auch auf die Gefahr hin, dass der Spielplatz im schlimmsten Fall zu machen muss.
Die anderen sind so sauer, dass sie nicht mehr alle Förmchen für sich alleine haben, dass sie beleidigt gehen und es ist ihnen offenbar egal, was aus dem Spielplatz wird.
Und dann sind da noch die wenigen Kinder in gelb und grün, die verstanden haben, dass es der Spielplatz wert ist, für ihn zu kämpfen und mehr für ihn zu bezahlen. Zusammen mit dem Spielplatzwart übernehmen diese coolen Mädchen und Jungs Verantwortung und halten den Laden am Laufen.
Wir sind stolz, dass wir zu den Coolen gehören, und dankbar, dass wir damit nicht alleine sind!