Lieber Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen Ratsmitglieder,
liebe Damen und Herren von der Verwaltung,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
ein durchschnittlicher Mann redet einer recht aktuellen Studie zufolge ca. 16.000 Wörter am Tag und das hauptsächlich im beruflichen Umfeld. Arbeiten war ich heute schon und die Politik ist, auch wenn es sich nicht immer so anfühlt, für mich Freizeit.
D.h. es ist davon auszugehen, dass ich einen Großteil meiner Wörter für den heutigen Tag schon verbraucht habe. Außerdem würde ich gerne bei der Weihnachtsfeier noch das ein oder andere nette Gespräch führen. Heute ist außerdem Champions League und somit werden sowieso schon viele Männer in Lindlar recht schweigend von dem Fernseher verbringen. Wenn ich dann noch mehr Wörter verbrauche, als mir zustehen, d.h. zumindest statistisch andere Lindlarer Männer dazu nötige, zu schweigen, löse ich damit ggf. Beziehungskrisen in Lindlar aus. Dies möchte ich auf jeden Fall vermeiden und muss mich somit schon deshalb kurz fassen.
Doch nun zum Haushalt 2017 und dem Haushaltssicherungskonzept 2017-2020:
Was uns Kämmerer und Bürgermeister da vorgelegt haben, war ein durchdachtes, handwerklich gutes und soweit stimmiges Zahlenwerk. Aber eben nicht mehr.
Ihm fehlte jegliche politische Idee, Aussage oder gar Wegweisung. Ihm fehlte jegliche Nachhaltigkeit und Perspektive für die Zeit nach 2020. Der eingebrachte Haushalt war kein politisches Statement, sondern nur ein großes, von der Not getriebenes, unambitioniertes Zahlenwerk!
Und wieder sollten die Löcher ungerecht nur von den Bürgerinnen und Bürgern und nicht über eine Erhöhung der Gewerbesteuer finanziert werden.
So hätten wir dem Haushalt nicht zustimmen können.
Aber Politik heißt gestalten und das haben wir in diesem Jahr gemeinsam mit der CDU durchaus erfolgreich getan. Jetzt hat der Haushalt, zumindest in Ansätzen, das, was wir vermisst haben:
politische Aussagen und Richtung
Nachhaltigkeit
Perspektive über das Jahr 2020 hinaus
und ein Mehr an Gerechtigkeit.
Im Einzelnen:
Dieser Haushalt ist ein klares Bekenntnis zu unserem Schwimmbad.
Wir haben beschlossen, dass wir grundsätzlich die Rücklagen der SFL GmbH nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern missbrauchen werden, sondern immer nur höchstens den Gewinn an den Haushalt abführen. D.h. das Schwimmbad bleibt langfristig handlungsfähig, auch wenn die Zeiten mal rauer werden oder Unvorhergesehenes eintritt.
Wir verhindern hoffentlich eine Erhöhung der Friedhofsgebühren als Haushaltskonsolidierung auf Kosten der Hinterbliebenen.
Wir waren doch sehr erschreckt, mit welcher Leichtigkeit alle anderen Fraktionen einer absolut willkürlichen Senkung des öffentlichen Interesses bei den Friedhöfen zugestimmt haben, um ein paar Kröten für den Haushalt locker zu machen.
Es sollen also tatsächlich BürgerINNen, die gerade einen geliebten Menschen verloren haben, über ihre Friedhofsgebühren den Haushalt entlasten? Denn, dass diese Änderung der Kalkulation sich, sobald die Fehlbeträge ausgeglichen sind, in einer Gebührenerhöhung niederschlagen, liegt doch auf der Hand. Wir hoffen, dass wir das für 2018 und die Folgejahre verhindern oder zumindest abmildern konnten und bitten alle, noch mal in sich zu gehen, ob nicht die Rückkehr zu 10% richtiger wäre.
Dieser Haushalt ist ehrlicher
Mit dem Beschluss, die Steuersätze in einem Schritt auf die benötigte Höhe anzuheben, beenden wir die Salamitaktik der letzten Jahre. Bisher haben wir immer ein bisschen draufgesattelt in der Hoffnung, es merkt keiner und die SPD will das auch weiter so machen.
Jetzt sagen wir einmal ehrlich und vielleicht auch schonungslos, was Lindlar braucht und die BürgerINNen zu zahlen haben.
Dieser Haushalt belastet die BürgerINNen weniger
Anders als vom Kämmerer vorgeschlagen, kommen wir ohne massive Steuererhöhungen aus. Hatte die Verwaltung eine Erhöhung der Grundsteuer B auf 635% vorgeschlagen, sind wir nun gemeinsam mit der CDU bei 595 % gelandet und damit ab 2019 unter dem Satz, den die SPD beantragt hat.
Dieser Haushalt ist ein wenig gerechter
Seit 2006 erhöhen wir die Steuern, um 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu haben und nicht zu vergessen, danach konsequent Schulden abzubauen. Seit dieser Zeit ist die Grundsteuer B um rund 40 Prozent erhöht worden. Die Grundsteuer B wohlgemerkt, die Steuer, die jede Lindlarerin und jeder Lindlarer absolut unabhängig vom Einkommen entweder direkt als Hausbesitzer oder indirekt als Mieter über die Nebenkosten zu zahlen hat.
Im gleichen Zeitraum wurde die Gewerbesteuer nur um rund 5,5 % erhöht. Dabei ist die Gewerbesteuer eine Gewinnsteuer. Nur der Gewerbetreibende, der einen nicht unwesentlichen Gewinn erzielt, muss auch Gewerbesteuer zahlen.
Wer sollte sich eher mehr an der Haushaltskonsolidierung beteiligen? Ein Leiharbeiter mit € 1.400.- brutto oder z.B. eine Firma wie Loco-Soft, die seit Jahren von den vielen Vorteilen, die der Standort Lindlar bietet, profitiert, wenn sie Gewinne macht?
Für uns ist diese Antwort klar, und deshalb haben wir auch darauf bestanden, dass nicht einfach die Steuererhöhungen vorgezogen werden, wie es die CDU wollte. Sondern dass die Gewerbesteuer stärker erhöht wird als bereits beschlossen und somit die Grundsteuer B und damit die Belastung der BürgerINNEN geringer ausfallen kann. Das macht Lindlar ein wenig gerechter.
Jetzt erreichen wir GRÜNE, dass, was auch die SPD bisher gefordert hat, eine höhere Gewerbesteuer und eine geringere Grundsteuer-B-Erhöhung und was macht die SPD nun? Sie lehnt dies ab und legt ein Steuerkonzept vor, das genau die Steuersätze beinhaltet, die sie vor zwei Jahren noch völlig zu Recht als unsozial abgelehnt hat.
Dieser Haushalt ist nachhaltiger und zukunftsweisender
CDU und GRÜNE erliegen nicht der Verlockung, die dem Finanzkonzept der SPD zugrunde liegt, jeden Cent, den wir mehr im Gemeindesäckel haben, weil mal ein Jahr etwas besser gelaufen ist als geplant oder es noch von irgendwoher einen kleinen Bonusbetrag gibt, sofort wieder ins System zu geben und damit vielleicht für ein-zwei Jahre marginal geringere Steuern präsentieren zu können.
Das halten wir für gefährlich und nicht zukunftsweisend.
Gefährlich deshalb, weil wir nicht wissen, was uns die Zukunft bringt und nur ein richtig schlechtes Jahr dazu führen kann, dass unser Eingenkapital aufgebraucht ist und wir einen Sparkommissar bekommen.
Nicht zukunftsweisend, weil es auch eine Zeit nach 2020 gibt und wir die rechtliche aber vor allen gegenüber den nachfolgenden Generationen moralische Verpflichtung haben, unsere Schulden von weit über € 40 Mio. zurückzuzahlen. Somit ist es grundfalsch, Mehreinnahmen oder Ergebnisverbesserungen sofort wieder einzuplanen, anstatt Eigenkapital aufzubauen und Schulden zu vermeiden bzw. zu tilgen.
Lindlar investiert in seine Schulen und bessere Bildung
Da bekommen wir knappe € 1,1 Mio. vom Land für unsere Schulen geschenkt und die Verwaltung will dieses Geld einfach nutzen, Maßnahmen, die wir sowieso an den Schulen durchführen müssen, davon zu bezahlen. Die Lehrertoilette an der Realschule, der abgegangene Hang bei der Hauptschule, Reparaturen in Bereich Haustechnik usw. Und alle anderen Fraktionen finden das richtig und sehen offenbar keine Notwendigkeit, wirklich in die Schulen, ihre Attraktivität und ihre Qualität zu investieren. Das obwohl wir in einem intensiven Wettbewerb mit den Schulen in umliegenden Gemeinden stehen, die z.T. wie die beiden weiterführenden Schulen in Engelskirchen, was die Gebäude angeht, viel besser dastehen. Da müssen wir gegensteuern! Kein Schüler wird unsere Realschule wählen, weil die Lehrertoilette saniert worden ist. Oder glaubt jemand, dass ein Schüler ein Foto der Lehrertoilette oder des abgefangenen Hangs auf Instagram hochlädt und postet: „Guckt mal was wir bei uns an der Schule Cooles haben?“ Dafür brauchen wir andere Maßnahmen.
Stattdessen sollte dieses Geld – nach dem Willen der anderen Fraktionen – schlicht dem Haushalt einverleibt werden und die SPD hat es ja auch einfach in ihr Konzept mit eingerechnet.
Dies konnten wir zum Glück im Rahmen unserer Gespräche mit der CDU für die Jahre 2018 bis 2020 verhindern. D.h. wir werden in den nächsten vier Jahren (wenn man die Gelder für die Digitalisierung der Schulen in 2017 mit einrechnet) knapp € 950.000.- in Attraktivitäts- und Qualitätssteigerung unserer Schulen investieren und das finden wir großartig.
Abschließend kann man sagen, wir GRÜNE haben gerne mitgestaltet, denn gemeinsam mit der CDU haben wir es geschafft, aus dem unambitionierten, politisch nichtssagenden Zahlenwerk, das mit massiven Steuererhöhungen einhergegangen wäre, ein die BürgerINNen nur maßvoll mehr belastendes, etwas weitsichtigeres, etwas gerechteres, etwas ehrlicheres und in vielen Bereichen in die richtige Richtung gehendes Konzept für Lindlar zumindest bis 2020 zu schaffen, dem wir zustimmen können. Auch wenn selbstverständlich der Haushalt nicht grün ist, aber doch ein ganzes Stück grüner als man es von Lindlar erwartet.
Wer hier schon eine „bergische Koalition“ in schwarz und grün vermutet, greift sicherlich zu weit. Dass eine solche Absprache möglich und erfolgreich ist, zeigt aber, dass sich die Verhältnisse und die Streitkultur im Lindlarer Rat verändert haben, oder hätten Sie, Herr Heller, sich vor über 10 Jahren, als ich angefangen habe, vorstellen können, dass wir für gemeinsame Anträge gemeinsam die Hände heben. War was komisch, ging aber, oder?
So das waren jetzt knapp 1.400 Wörter und somit die kürzeste Haushaltsrede, die ich je gehalten habe. Ich denke, ich darf mir gleich beim Bier noch das ein oder andere Gespräch gönnen.
Frohe Weihnachten und einen „Guten Rutsch“!