Wir haben den Haushalt 2020 aus verschiedensten Gründen abgelehnt. Warum begründet unser Fraktionssprecher Patrick Heuwes in seiner Haushaltsrede.
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
liebe Kolleginnen und Kollegen Ratsmitglieder,
liebe Damen und Herren von der Verwaltung,
lieber Herr Bürgermeister,
vor ein paar Wochen hat mich, der von mir sehr geschätzte Harald Orbach, gebeten, ich möge nochmal, sozusagen zu seinem Abschied, eine lustige Haushaltsrede halten. Harald, ich habe mich sehr bemüht, aber die Lindlarer Haushaltslage und die Politik, die hier in Lindlar betrieben wird, ist leider so überhaupt nicht lustig, dass ich es diesmal nicht hinbekommen habe. Bitte entschuldige! Um ein wenig Heiterkeit zu verbreiten, habe ich mich für dieses wunderbare Weihnachtssakko entschieden.
Ja, wir kriegen der Haushaltsausgleich hin. Wenn auch mit Ach und Krach und einigen legalen, aber trotzdem fragwürdigen, die echte Finanzlage vernebelnden Tricks. Z.B. wurde die Straßenunterhaltung jahrzehntelang als konsumtiv betrachtet und war somit sofort ergebniswirksam. Jetzt ist die Straßenunterhaltung plötzlich eine Investition und kann über viele Jahre abgeschrieben werden.
Die BGW verzichtet auf die immer gewährte Erstattung der Personalkosten für Lindlar Touristik. Wer was beauftragt, muss es auch zahlen. Der Bürgermeister und die CDU können nicht immer betonen, dass die BGW eine eigene Firma ist, und sich dann bei Bedarf einfach bedienen.
Außerdem soll genau diese BGW ein Feuerwehrgerätehaus und diverse Schulanbauten stemmen. Was Lindlar bauen muss, soll Lindlar auch bauen und nicht Kosten und Schulden woanders verstecken.
Alleine diese drei Fakten würden dazu führen, dass die schwarze Null geschreddert wäre und Steuererhöhungen unumgänglich. Die schwarze Null ist schlicht getrickst.
Aber nochmal: Ja, wir schaffen den Haushaltsausgleich und brauchen dafür nach wahrscheinlich tausendmal neu rechnen auch keine Steuererhöhungen. Aber das ist überhaupt kein Grund zu feiern, sondern die erste und vielleicht leichteste Etappe auf dem Weg zu soliden, nachhaltigen Finanzen.
In den letzten 10 Jahren, die eigentlich mit die wirtschaftlich stärksten und auf jeden Fall die Jahren mit den niedrigsten Zinsen waren, die Deutschland je erlebt hat, hat Lindlar meist alleine von der CDU beschlossen unfassbare 43 Mio. Euro Schulden für rein konsumtive Ausgaben gemacht. Aus Konsum wohl gemerkt, das heißt, dieses Geld ist weg und es gibt keinen Wert wie Gebäude, der in irgendeiner Weise dagegen steht. Und alles auf Land und Bund zu schieben geht da nicht. Wer einen 18-Mal schlechteren Verschuldungsgrad hat als vergleichbare Kommunen in NRW, hat ganz offenbar etwas falsch gemacht. Doppelt so schlecht wäre schon eine Katastrophe, aber 18-Mal! Da müsste man doch vor Scham im Boden versinken. Wenn die CDU jetzt im Wahlkampf wieder gebetsmühlenartig verkünden wird, was sie alles für tolle Sachen für Lindlar gemacht hat, wäre es nur fair und ehrlich, in diese Liste auch die Rekordschulden aufzunehmen.
Das mindeste ist, dass die, die diese Schulden mit ihren Beschlüssen zu verantworten haben, bevor sie abtreten, aufzeigen, wie man die Schulden wieder los wird. Deshalb ist es sicherlich ein Silberstreif am Horizont, dass der Hauptausschuss beschlossen hat, bis Ende Juli 2020 ein Konzept zum Schuldenabbau zu verabschieden. Vielen Dank an die CDU-Ratsratsmitglieder und den Bürgermeister, die sich da gegen ihre Fraktionsführung gestellt haben und damit dieses Konzept ermöglichen. Ein sehr bemerkenswerter Vorgang, der sich, diese Spitze sei mit erlaubt, gerne z.B. beim IP Klause wiederholen darf.
Wer, wie Lindlar, ein komplettes Jahresbrutto im Dispo ist, würde von Peter Zwegat sofort an den Haaren zum Insolvenzrichter geschleift. Hier in Lindlar reicht die schwarze Null und gleichbleibende Steuersätze, dass die CDU verhalten jubelt, die FDP nach Jahren wieder einem Haushalt zustimmt, und auch die SPD damit zufrieden ist. Da fehlt uns das Verständnis.
Jeder eigentlich zur Schuldentilgung notwendige Euro an Steuererhöhung, den wir den Bürgerinnen und Bürgern heute ersparen, müssen unsere Kinder und Enkel mit Zins und Zinseszins zahlen. Das ist mehr als unfair.
Der Haushalt ist die finanzielle Ausstattung der Politik von Bürgermeister und Ratsmehrheit, somit ist die Zustimmung oder Ablehnung eben auch die Zustimmung oder Ablehnung dieser Politik. Wer auch nur ein klein wenig die Politik des letzten Jahres verfolgt hat, kann diese Politik durch die Zustimmung zum Haushalt nicht absegnen.
Fast alle hier im Saal waren dabei, deshalb hier nur die Kurzform:
Der Rat hat es abgelehnt, eine Bürgerbefragung zur Erweiterung von IP Klause durchzuführen. Wer meint zu wissen, was die BürgerINNEN denken und ggf. besser zu wissen, was für sie gut ist, begibt sich auf ganz dünnes Eis.
In der gleichen Sitzung hat der Rat es abgelehnt, den Tagesordnungspunkt vorzuziehen, damit die BürgerINNEN nicht weit mehr als eine Stunde stehend warten müssen.
Der Rat hat es abgelehnt, den BürgerINNEN das Klatschen in Sitzungen offiziell zu erlauben.
Der Bürgermeister drohte in seiner Funktion als Geschäftsführer der BGW einem Bürger mit Besitzeinweisung, was quasi eine Enteignung ist, weil ohne sein Grundstück die Zuwegung zur Erweiterung des IP Klause weniger wirtschaftlich ist. Enteignung wird erwogen, wenn es um Industrie geht, aber nicht, wenn es um ein Feuerwehrgerätehaus, eine Rettungswache oder eine mehr Sicherheit bringende Straße geht?
Der Rat hat ein Gemeindeentwicklungskonzept beschlossen, das auf einer Berechnungsmethode aus den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts beruht und somit Flächenverbrauch, Klimakrise usw. komplett ignoriert.
In diesem Gemeindeentwicklungskonzept werden eine behutsame, kleinteilige Entwicklung und der Erhalt der dörflichen Strukturen festgeschrieben. Da ist es schon hochgradig schizophren, wenn kurz danach das Baugebiet „An der Jugendherberge“ mit 70 Grundstücken und dem Charme einer amerikanischen Vorstadt beschlossen wird und der Entwurf des Flächennutzungsplans in Schmitzhöhe eine riesige Fläche von über 15 Fußballfeldern für Wohnbebauung ausweist.
Die Metropolen dieser Welt und inzwischen ganz Europa rufen den Klimanotstand aus, nur Lindlar nicht. Was das Europaparlament kann, obwohl dort so gruselige Gestalten wie die Schergen von Orban, Johnson, Kaczynski und Salvini sitzen, kriegt Lindlar nicht hin. Was den Klimaschutz angeht, bleibt Lindlar hinterm Mond statt mitten in Europa.
Denn es gibt weiterhin kein eigenes Budget für den Klimaschutz. Dass in Zeiten der immer drängenderen Klimakrise die Stelle des Klimaschutzmanagers erhalten bleibt, ist keine Errungenschaft, die es zu feiern gilt, sondern eine Selbstverständlichkeit. Dass unser Klimaschutzmanager um Geld bei anderen Fachbereichen und Sponsoren betteln muss, anstatt sich auf seine Arbeit konzentrieren zu können, ist ein Armutszeugnis und zeigt, dass bei CDU und dem Bürgermeister die Dramatik der Klimakrise noch nicht ansatzweise angekommen ist.
Über 3.500 Menschen unterschreiben für den Erhalt des Waldes bei Klause.
Armin Laschet sagt, jeder Baum, den man verliere, verschärfe die Klimakrise.
Große Teile des Bergischen Waldes sterben gerade und weitere werden wegen Trockenheit und Borkenkäfer sterben.
Die NRW-Landesregierung setzt auf Aufforstung und mehr Wald.
Hunderttausende gehen alleine in Deutschland für den Klimaschutz auf die Straße.
Alles das interessiert nicht! Die Ratsmehrheit in Lindlar inkl. SPD will weiterhin bei Klause den Wald zerstören.
Und dann gab es noch die sehr unrühmliche Sitzung des Sozialausschusses im Oktober. Dort wurden WinLi 10.000.- Euro Unterstützung für ihr Büro verweigert, weil „andere Vereine ja auch nichts bekommen“. 10.000.- Euro bei einem Haushaltsvolumen von mehr als 40 Mio. Euro! Wir als Rat müssen für die Ehrenamtlichen da sein und sie unterstützen, wo wir können, denn wir können den vielen ehrenamtlich Tätigen gar nicht dankbar genug sein. WinLi dann in der Not abblitzen zu lassen, ist ein fatales Signal der Undankbarkeit und Gleichgültigkeit an alle Ehrenamtler. Und dass der Schirmherr Dr. Ludwig den Schirm genau dann zumacht, wenn der Sturm aufzieht, und seine Schützlinge im Regen stehen lässt, braucht man wohl nicht weiter zu kommentieren. Da hilft es auch nichts, wenn der Geldregen vom Land kommt, den Schirm wieder aufzuspannen.
Fazit: Eine solche Politik können und wollen wir nicht unterstützen und werden deshalb den Haushalt ablehnen.
Wir bedanken uns für die meist konstruktive und gute Zusammenarbeit und wünschen Ihnen eine frohe Weihnacht und einen guten Rutsch!