Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Tebroke,
Sehr geehrte Ratsmitglieder,
diejenigen von Ihnen, die intensiver mit dem Textverarbeitungsprogramm Word arbeiten, kennen die Funktion „Suche – ersetze“. Mit ihr kann man in einem Text nach einem Wort suchen und dieses dann überall, wo es vorkommt, durch ein anderes ersetzen.
Als ich diese Funktion, d.h. ersetze „2007“ durch „2008“, mal interessehalber bei unserer Rede zum Haushalt 2007 angewandt habe, musste ich erschreckt feststellen:
Wenn ich die Ausführungen über NKF kürze, weil es nicht mehr neu ist,
etwas zum Leitbild reinnehme, weil es neu auf die Agenda gesetzt wurde, und
etwas zum Klimaschutz reinnehme, weil diese Problematik von Jahr zu Jahr immer drängender wird,
ist eine aktuelle Haushaltsrede schon fertig.
Das aber bedeutet – und deshalb war ich so erschreckt – es bewegt sich leider nicht viel in Lindlar
– Lindlar setzt weiter auf Wachstum, sei es an Köpfen bei der Einwohnerzahl oder an Fläche bei der Ausweisung von Wohn- oder Gewerbegebieten, obwohl wir auf Qualität setzen müssten
– Lindlar lebt zumindest z. Zt. weiter über seine Verhältnissen und unsere Verschuldung steigt weiter
– Lindlar hat weiterhin kein Konzept, wo es hingehen soll
– hier wird weiterhin unnötig Natur und Klima zerstört, obwohl diese für die Zukunft so wichtig sind. (Denjenigen, die für Umweltargumente auch in 2008 immer noch nicht zugänglich sind, möchte ich noch den Denkanstoß mitgeben, dass Naturzerstörung auch dem Tourismus schadet.)
Es bewegt sich leider nicht allzu viel in Lindlar.
Bevor ich aber darauf eingehe, möchte ich mich auch im Namen der Fraktion B´90/Die GRÜNEN bei Herrn Hütt und seinem Team für die engagierte Arbeit bedanken. Wir haben zwar noch nicht das Gefühl, dass das NKF an sich ein großer Wurf und das Ergebnis den großen Mehraufwand wert ist, aber die Einführung und die Umsetzung in Lindlar scheint uns gut und professionell gelungen.
Beginnen wir mit den harten finanziellen Fakten. Wir haben inzwischen über € 120 Mio. Schulden, wenn man die Verbindlichkeiten der Gemeinde, der Eigenbetriebe, SFL und BGW zusammenrechnet. Das sind bei 22.562 Einwohnern (Ende 2006) pro Kopf unglaubliche € 6.648.-. Nebenbei bemerkt, ist die Vermeidung eines noch höheren Anstiegs der Pro-Kopf-Verschuldung auch mir zu verdanken, denn wenn ich 2002 nicht nach Lindlar gezogen wäre (und wohlgemerkt das aus beruflichen Gründen und nicht etwa wegen eines Baugebietes) hätte Lindlar 4 Einwohner weniger und jeder Lindlarer hätte gut einen Euro mehr zu schultern.
Glücklicherweise soll die Verschuldungssituation ja etwas besser werden, es soll ein Licht am Ende des Tunnels geben. Ab 2010 können wir, wenn die Planzahlen sich bewahrheiten, moderat mit der Tilgung beginnen.
Ein erster wichtiger Schritt, aber wir werden trotzdem über einen langen Zeitraum viel zu viele Schulden haben und jedes Jahr eine hohe Summe für Zinsen ausgeben müssen, anstatt sie in unsere Zukunft zu investieren. Aber bis 2010 fließt noch viel Wasser die Sülz runter. Im letzten Jahr wurden wir während der Haushaltsberatungen durch die immens hohen Brandschutzkosten an den Schulen überrascht und in diesem Jahr bekamen wir in der letzten Sitzung vor der Verabschiedung des Haushalts mögliche Kosten von 1,25 Mio. für die Sanierung des Pädagogischen Zentrums im Schulzentrum präsentiert. Da kann also noch viel passieren und das vermeintliche Licht am Ende des Tunnels ist vielleicht doch nur der entgegenkommende Zug.
Das heißt, wie müssen weiterhin eisern sparen, um nicht noch mehr in die Schuldenfalle zu geraten und um uns zumindest die Hoffnung zu erhalten, dass das Licht am Ende des Tunnels kein Zug ist.
Aber wir sparen nicht eisern, und das ist zum Teil richtig und zum Teil falsch und an manchen Stellen wird das Geld am falschen Platz ausgegeben.
Das Gute zuerst:
1. Beispiel: Wir finanzieren die gute und sinnvolle Arbeit der Beratungsstelle Herbstmühle für Eltern, Kinder und Jugendliche.
Diese Investition in unsere Kinder und damit unsere Zukunft ist richtig und wichtig. Wir finden es sehr erfreulich, dass wir uns darüber im Rat einig sind.
2. Beispiel:
Wir nehmen satte € 200.000.- mehr als eigentlich nötig in die Hand, um den alten Tennen-Sportplatz am Schulzentrum mit Kunstrasen auszustatten, und somit für alle Sportler, aber besonders für Kinder und Jugendliche, attraktiver zu machen. Wenn wir wollen, dass unsere Kinder nicht immer dicker und unbeweglicher werden und z.B. Fußball nicht nur auf der Playstation bei Chips und Cola spielen, müssen wir ihnen ein attraktives Sportangebot machen.
Dass wir „nur“ € 200.000.- in die Hand nehmen müssen und damit dieses Projekt, wenn auch mit Ach und Krach und einigen Bauchschmerzen, schultern können, ist das Ergebnis eines in Lindlar bisher beispiellosen bürgerschaftlichen Engagements. Nur weil der TUS Lindlar, die Schulen und der Förderverein Sportanlage Lindlar sich so ins Zeug legen und € 150.000.- an Spenden bereitstellen wollen, ist diese zukunftsweisende Anlage realisierbar. Dafür schon jetzt vielen Dank!
Zum Tennensportplatz aber auch noch eine kritische Bemerkung. Bei der Planung der Sanierung hatte die Verwaltung doch tatsächlich vergessen, dass vor ca. 10 Jahren belastetes Material auf einer Halde neben dem Sportplatz abgekippt worden war. Das hätte fast zu erheblichen Mehrkosten geführt. Die Mehrkosten konnten glücklicherweise durch den beherzten Einsatz der Verwaltung abgewendet werden, aber der Tatsache an sich macht uns schon Angst. Wenn wir uns nicht mal an Halden vor 10 Jahren erinnern, wie wird sich die Menschheit in 1000 Jahren noch an Atommülllager erinnern können?
Weiter „leisten“ wir uns Gott sei dank ein Schwimmbad, eine Bücherei und nicht kostendeckende Offene Ganztagsschulen, damit wir vielleicht irgendwann keine Pisa-Verlierer mehr sind. Für uns äußerst wichtige Investitionen in die Zukunft.
Weniger gut, finden wir z.B. die hohen Kosten für den Winterdienst. Wir sind weiterhin der Meinung, dass eine kritische Überprüfung unseres hohen „Streustandards“ ein Einsparpotential aufdecken würde, ohne dass die Verkehrssicherheit leidet.
Oder nehmen wir die immensen Kosten für Straßenbau und –unterhaltung. Trotz eines Gesamtetats von € 4 Mio. für öffentliche Verkehrsflächen haben wir viel zu wenige Fahrradwege in Lindlar. Keine weiterführende Schule in Lindlar ist über einen Fahrradweg sicher zu erreichen und das obwohl wir 4 Mio. für Straßen, Wege u.ä. ausgeben.
Beim Thema Fahrradwege könnte sich allerdings langsam etwas bewegen. Auf unseren Antrag hin wird die Verwaltung nun zumindest mal prüfen, ob und wo Bedarf an markierten Fahrradwegen besteht. Ein erster Schritt, den wir durchaus begrüßen. Nur das Projekt „Fahrradwege“ darf nicht eine Neuauflage des unsäglichen Projektes „Verkehrsberuhigung“ werden, das nach mehr als einem Jahrzehnt immer noch nicht abgeschlossen ist. Wir brauchen hier schnelle Ergebnisse, denn wir brauchen nicht nur gute Schulen, sondern auch sichere Schulwege.
Wenn wir mit einer unserer wichtigsten Ressource, unserer schönen Lindlarer Natur, ähnlich sparsam umgehen würden, wie mit dem Geld für Fahrradwege (selbst € 15.000.- für Fahrradwege, das sind nicht mal 0,4% der 4 Mio. für die öffentlichen Verkehrsflächen wurden abgelehnt), wären wir sehr zufrieden. Doch leider läuft es ganz anders. Auch 2008 sollen wieder neue Wohn- und Gewerbeflächen erschlossen und verkauft werden.
Anstatt bestehende Flächen effektiver zu nutzen oder Brachen zu reaktivieren wird immer mehr Fläche zerstört. Ist das Roden großer Waldflächen für die Erweiterung von Klause oder den neuen LIDL-Markt die Antwort Lindlars auf den Klimawandel?
Jetzt hören sich die Argumente, „wenn wir Wohngebiete ausweisen, bekommen wir mehr Einwohner und die wiederum kriegen Kinder, die unsere Kindergärten und Schulen füllen“,
oder „mehr Gewerbeflächen bedeuten mehr Gewerbesteuereinnahmen“ ja erst mal ganz gut an, sie treffen nur für Lindlar nicht zu.
Trotz der Lindlarer Wachstumspolitik gehen seit 2004 die Einwohnerzahlen kontinuierlich zurück.
Trotz der Lindlarer Wachstumspolitik müssen massiv Kindergartengruppen geschlossen werden, weil die Kinder ausbleiben.
Trotz der Lindlarer Wachstumspolitik steigen die Gewebesteuereinnahmen im Vergleich zum Landesdurchschnitt kaum.
Diese Wachstumspolitik war schon immer falsch, da sie den ländlichen Charakter Lindlars gefährdet, und uns zu Investitionen in Infrastruktur gezwungen hat, die schon bald oder auch jetzt (siehe Kindergärten) keiner mehr braucht und für die wir unnötig Natur und Landschaft zerstört haben.
Aber jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch, die Lindlarer Wachstumspolitik hat ihre Ziele, die nie unsere waren, nicht erreicht:
die Bevölkerung schrumpft, die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln überall, nur nicht in Lindlar, wir müssen Kindergärten schließen und bald sind die Schulen dran.
Wo sich was bewegt in unserem Ort, ist das Streben nach Interkommunaler Zusammenarbeit. Hier haben Bürgermeister und Verwaltung ausdrücklich unsere volle Rückendeckung für das Ausloten von sinnvollen Zusammenarbeitsmöglichkeiten. Hier wird engagiert gearbeitet und wir sind optimistisch, kurzfristig erste Ergebnisse zu erhalten, auch wenn das errechnete Einsparpotential bei der möglichen Zusammenlegung der Bauhöfe Lindlar und Engelskirchen doch eher enttäuscht.
Was Bewegung versprach in diesem Jahr, war die Initiative des Bürgermeisters, einen Prozess zur Entwicklung eines Leitbilds für Lindlar anzustoßen, aber da bewegt sich inzwischen auch nichts mehr.
Ich spare mir auch hier lange Ausführungen. Jeder weiß, dass wir einen breit angelegten Diskussionsprozess wollen, zu dem alle Bürger Lindlars ausdrücklich eingeladen sind, sich aktiv zu beteiligen, aber Bürgermeister, CDU und SPD wollen das nicht. Aber auch bei diesem Leitbild des Rates statt eines Leitbildes aller Bürger bewegt sich nichts mehr.
Ich frage, wo ist das leidige Leitbild „Lindlar 2020“?
Es sollte zu diesen Haushaltsberatungen vorliegen. Seit der als gescheitert zu betrachtenden schriftlichen Anhörung der Vereine nach der Sommerpause scheint der Prozess in der Sackgasse zu sein, niemand redet mehr davon, in keiner Sitzung wird berichtet oder gar diskutiert. Entweder der Prozess ist schon tot oder er wird gerade totgeschwiegen. Sie werden verstehen, dass wir über den Verlauf des Prozesses weder überrascht, noch besonders enttäuscht sind, denn der eingeschlagene Weg war von Anfang an zum Scheitern verurteilt und hätte unserer Meinung nach auch nie ein brauchbares, tragfähiges Leitbild produzieren können. Für die Grund-Idee eines Leitbildes „Lindlar 2020“ tut es uns sehr leid, weil so eine echte Chance verspielt worden ist eine Antwort auf die Frage „Wo soll es hingehen mit Lindlar?“ zu erarbeiten.
Die ganze Welt redet über Klimaschutz, nur in Lindlar bewegt sich nichts.
Während wir im letzten Jahr 8 Anträge zum Thema Klimaschutz gestellt haben, von denen die meisten selbstverständlich abgelehnt worden sind, waren keinerlei Aktivitäten der anderen Ratsfraktionen und der Verwaltung in diese Richtung zu erkennen. Wenn die Wärmepumpe in der Förderschule der einzige Beitrag Lindlars zum Klimaschutz bleibt, ist dies einfach nur höchstpeinlich.
Wir sind deshalb gespannt auf das angekündigte ganzheitliche Klima-Konzept der Gemeinde Lindlar, das wir mit unseren Anträgen und Initiativen wohl provoziert haben.
Nun dem letzten Haushalt konnten wir nicht zustimmen, es hat sich kaum etwas bewegt, das heißt, wir können auch dem Haushalt 2008 nicht zustimmen.
Vielen Dank
Patrick Heuwes