Ein Haushalt so GRÜN wie noch nie und zwei zentrale GRÜNE Anliegen durchgesetzt – deshalb haben wir dem Haushalt 2016 zugestimmt. Die Haushaltsrede unseres Fraktionssprechers Patrick Heuwes im Wortlaut:
Lieber Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen Ratsmitglieder,
liebe Damen und Herren von der Verwaltung,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
nach inzwischen acht Haushaltsreden, die ich halten durfte, sollten man meinen, langsam gehen einem die Ideen aus, denn soviel ändert sich ja nicht von Jahr zu Jahr.
Diese Befürchtung hatte ich bisher jedes Jahr und mit so mancher Haushaltsrede hatte ich schon zu kämpfen, damit sie nicht ganz so abgedroschen und unkreativ klingt.
Dieses Mal fiel es mir erstaunlich leicht, denn der Haushalt bietet einiges Neues, dass es zu kommentieren lohnt.
Ja, es gibt sie, die Kröten, die es auch im Haushalt 2016 für uns GRÜNE zu schlucken gilt:
1. Kröte:
Im Rahmen der Haushaltssperre für 2015, die verhängt werden musste, weil sich die Verwaltung bei den Gewerbesteuereinnahmen massiv verschätzt hatte, wurden im Schuletat u.a. bei der Gebäudeunterhaltung 10% eingespart. Bei der Straßenneueindeckung wurden dagegen nur 6,4% gespart.
Da war es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass diese Ungerechtigkeit im nächsten Jahr korrigiert werden muss und wir haben unseren Antrag dazu für eine reine Formsache gehalten. Erst recht in einer Zeit, wo um uns herum die Schulen aufwendig saniert, um- und z.T. neugebaut werden und in bunten Farben erstrahlen, dürfen wir in Lindlar nicht an Klopapier, Reinigung und Gebäudeunterhaltung sparen.
Dass CDU und Bürgermeister diesen simplen Gerechtigkeitsausgleich abgelehnt haben, hat uns absolut überrascht und erschreckt! Wie kann man sagen, „wir brauchen hervorragende Schulen“ und ihnen im selben Atemzug das Geld, das Ihnen zusteht, verweigern?
2. Kröte:
Unsere Schwimmbad GmbH (SFL) soll erstmals weite Teile ihres Gewinns, der aus einer Beteiligung an der BELKAW kommt, an den Haushalt abführen. Jedes Unternehmen muss Rücklagen bilden und Liquidität sichern. Erst recht unser Schwimmbad, dessen Kerngeschäft nie kostendeckend sein wird und bei dem hohe Investitionen anstehen. Wenn die SFL Rücklagen bildet, wird sie auch Gewinneinbrüche bei der BELKAW eher überleben können, als wenn Lindlar ihr die Gewinne entzieht. Dass Produktion und Verkauf von Energie in Zeiten der Energiewende kein einfaches und zunehmend risikobehaftetes Geschäft ist, zeigen EON, RWE und Co. seit einiger Zeit. Somit ist es grundfalsch, der SFL ihre Gewinne in solcher Höhe zu entziehen. Langfristig gefährdet eine solche Politik unser Schwimmbad.
3. Kröte:
Die CDU-Ratsmehrheit lehnt es weiterhin ab, dass der Rat nach den vielen Zumutungen für die BürgerInnen über Kürzungen und Steuererhöhungen mal bei sich selber spart. Vier Ratsmandate weniger ab der nächsten Legislaturperiode und damit verbundenen Einsparungen, wie FDP und wir als kleine Fraktionen es gemeinsam gefordert haben, wären eine wichtiges Signal an die BürgerInnen gewesen. Diese Chance wurde leider vertan. Man kann die Argumentation der CDU, je nach Sichtweise, „den BürgerInnen die Möglichkeit der Beteiligung geben“ oder „Posten verteilen wollen“ nennen.
Aber sowenig die Demokratie unter der Reduzierung der Mandate leiden würde, sowenig würde diese Maßnahme tatsächlich den Haushalt sanieren.
4. Kröte:
Es werden trotz extrem angespannter Haushaltslage € 500.000.- für Straßensanierung ausgegeben, wo € 300.000.- nach Meinung der Verwaltung ausreichend (wenn auch nicht wünschenswert) wären. Und das obwohl im Jahr 2015 wg. guter Ausschreibungsergebnisse bedeutend mehr Straßen saniert werden konnten als geplant. D.h. wir sind im Sanierungsprogramm viel weiter als gedacht. Trotzdem sollen weiterhin mehr Straßen als notwendig saniert werden und die Bürger müssen dafür tiefer in die Tasche greifen.
Nun muss man natürlich sagen, dass das Geld nicht zum Fenster herausgeworfen wird. Früher oder später müssten diese Straßen sicherlich saniert werden. D.h. wir geben jetzt Geld aus, was wir sonst später ausgeben müssten. Ob dann die Haushaltslage besser ist, vermögen wir z.Zt. nicht zu beurteilen. Somit ist der Weg, den CDU, FDP und Verwaltung da einschlagen, sicherlich nicht der GRÜNE, aber nicht automatisch völlig falsch.
Dies stellte sich bei den letzten Haushaltsberatungen ganz anders da. Damals war nämlich geplant, die Mehrausgaben für Straßen z.T. über einen Beitrag zum Schülerticket zu finanzieren. Das ging natürlich gar nicht! Dieser Vorschlag war dann aber auch schnell wieder vom Tisch, denn der Bürgermeister musste, nach massivem Widerstand aus den Schulen, einsehen, dass dieses Vorhaben weder politisch klug noch praktisch umsetzbar war. Das haben SPD und wir Ihnen, Herr Bürgermeister, von Anfang an gesagt. Generell kann es also durchaus Sinn machen, über die Argumente der anderen mal nachzudenken, anstatt erst vor die Wand zu fahren. Aus Schaden wird man klug, manchmal reicht aber eben auch zuhören.
5. Kröte:
Weiterhin wird die Haushaltskonsolidierung hauptsächlich über die Erhöhung der von allen LindlarInnen direkt oder indirekt zu zahlenden Grundsteuer B vollzogen. CDU, Bürgermeister und Kämmerer verschonen die, die in Lindlar mit ihrem Gewerbe größere Gewinne machen, denn nur die zahlen überhaupt Gewerbesteuern, mit Erhöhungen fast vollständig.
Klar ist aber auch, dass Lindlar, was die Gewerbesteuer angeht, in direkter Konkurrenz zu anderen Gemeinden in der Region steht und da der Spielraum unserer Meinung nach zwar noch vorhanden, aber sicherlich nur begrenzt vorhanden ist.
6. Kröte:
Wie in den Jahren zuvor halten wir es für falsch, mit Schulden einen Investmentfonds für spätere Pensionslasten zu bedienen, der Risiken birgt. Der Fonds wäre bedeutend weniger wert, aber die Schulden noch da.
Statt der bisher jährlichen € 250.000.- werden in 2016 nur noch € 100.000.- eingezahlt. Das ist zwar inkonsequent, denn entweder es ist richtig, diese Art der Vorsorge über Schulden zu betreiben, dann müsste man es mit einem ausreichenden Betrag tun, oder es ist falsch.
Es ist falsch, aber der Fehler ist in 2016 halt 60% weniger schlimm. Immerhin!
So, das waren sie, die sechs Kröten, die uns GRÜNEN der große Teich „Haushalt 2016“ bereit hält.
Aber um den Teich herum hat sich das Klima offenbar verändert. Und das tatsächlich positiv.
Herrschte bisher oft das Prinzip Hoffnung, ein „weiter so“ oder „et hätt schon immer joot jejange“ hat sich der Rat dieses Mal mit der Zustimmung zu zwei ganz zentralen GRÜNEN Anliegen neu positioniert.
Wie von uns gefordert, hat der Kämmerer seine Prognose hinsichtlich der Gewerbesteuereinnahmen für 2016 massiv nach unten korrigiert. Die bisherige Politik des Ignorierens der schlechten Vorjahresergebnisse anstatt vorsichtig-realistischer Einschätzungen wurde zumindest für 2016 aufgegeben. Zuversicht ist sicherlich gut, aber nicht, wenn sie in die nächste Haushaltssperre führt.
Dass aus 1,5 Mio. € weniger Gewerbesteuereinnahmen nach Abzug diverser Umlagen nur ein Minus von € 200.000.- bleibt, zeigt wie aberwitzig unser System der Kommunalfinanzen inzwischen ist.
Viel wichtiger ist uns aber unser zweiter Erfolg.
Vor einem Jahr waren wir mit unserem Antrag, € 60.000.- für Schulentwicklung zur Verfügung zu stellen, damit die Verwaltung in der Lage ist, auf ein mögliches Scheitern der Hauptschule und die Notwendigkeit einer Neukonzeption unserer Schullandschaft schnell und intensiv zu reagieren, gescheitert. Damals mussten wir uns speziell von Ihnen, Herr Bürgermeister, anhören, es handele sich um einen Tarnantrag und wir wollten die Hauptschule „kaputtreden“. Dieses Mal haben wir diesen Antrag gemeinsam mit unseren „roten Freunden“ erneut eingebracht und auch die CDU hat ihm zugestimmt.
Und plötzlich geht über dem Teich die Sonne auf!
Auch die Ratsmehrheit setzt nicht mehr blind auf das Prinzip Hoffnung, sondern hat erkannt, dass eine Erosion unserer Schullandschaft droht. Wir hätten für diesen Fall gerne einen fertigen Plan-B in der Schublade, aber dafür hängen CDU und SPD zu sehr an der Hauptschule, die bisher unbestritten sehr gute Arbeit geleistet hat, um sich zu einem solchen Plan öffentlich zu bekennen.
Aber durch die nun auf unsere Initiative hin eingeplanten Mittel ist die Verwaltung finanziell ausgestattet und in der Lage, mit uns gemeinsam schnell einen neuen Plan-A zu entwickeln, wenn dem bisherigen Plan-A, unserem 4-gliedrigen Schulsystem in Lindlar, von den SchülerInnen und den Eltern im Anmeldeverfahren eine Absage erteilt werden sollte.
Für uns und für Lindlar ein großer Schritt nach vorne!
Ja, es gibt auch bei diesem Haushalt einige Kröten zu schlucken. Aber davon gab es die letzten Jahre immer viel mehr und z.T. viel größere. Und sechs Kröten, die eher die Größe von Fröschen haben, bei einem Teich „Haushalt 2016“ mit einem Volumen von knapp 40 Mio. € machen sich mit ihrem Gequake zwar manchmal nervig bemerkbar, aber gehören vielleicht auch zum ökologischen Gleichgewicht in einem besseren Klima.
Deshalb schwimmen wir in diesem Teich, wenn auch nicht immer mit dem Strom, aber doch engagiert und als Teil des Ökosystems.
Politische bedeutet dies, dass dieser Haushalt so grün ist, wie noch nie, und wir es erstmals geschafft haben, die Lindlarer Schulpolitik dazu zu bewegen, die reale Bedrohung der bisherigen Schullandschaft nicht länger zu leugnen und sich zumindest finanziell darauf vorzubereiten.
Somit können und werden wir dem Haushalt 2016 zustimmen!
Zum Abschluss sollte man ja immer, da es auf Weihnachten zugeht, etwas versöhnlich werden. Und auch das fällt so leicht, wie noch nie.
Wir bedanken uns bei den anderen Fraktionen für die sehr konstruktive Zusammenarbeit im Jahr 2015 und wünschen dies uns allen auch für das nächste Jahr.
Ein besonderer und aufrichtigster Dank gilt aber dieses Mal der Verwaltung und dem Bürgermeister. Denn was von den Frauen und Männern der Verwaltung und den vielen ehrenamtlichen Helfern in diesem Jahr im Bereich Flüchtlinge geleistet wurde, findet unsere große Hochachtung. Jeden Tag eine neue Lage, aus heiterem Himmel neue Gruppen von Menschen, die unsere Hilfe brauchen, obwohl die Kapazitäten eigentlich längst erschöpft sind – und das gerne auch mal an einem Freitagmittag.
Man hatte nie das Gefühl, dass dieser Akt der Mitmenschlichkeit, Menschen eine Zuflucht zu gewähren, den Lindlar leisten muss aber vor allem darf, bei all dem Stress und der scheinbaren Ausweglosigkeit mancher Situationen als Problem gesehen, sondern immer als Herausforderung angenommen wurde, was wir einfach großartig finden.
Vielen Dank dafür!
Dabei dürfen wir die Belastung der MitarbeiterInnen nicht aus den Augen verlieren. Wenn Sie es für notwendig erachten, Herr Bürgermeister, dass Sie weiteres Personal benötigen, werden Sie bei uns GRÜNEN, nicht nur zur Weihnachtszeit, offene Türen vorfinden. Denn wir als Rat haben sicherlich die Verpflichtung der sparsamen Haushaltsführung, aber selbstverständlich auch eine Fürsorgepflicht für die MitarbeiterInnen.
Frohe Weihnachten und einen „Guten Rutsch“!