Liebe Bürgerinnen und Bürger,
liebe Kolleginnen und Kollegen Ratsmitglieder,
liebe Damen und Herren von der Verwaltung,
lieber Herr Bürgermeister,
zum zweiten Mal in Folge wird diese Rede nicht gehalten, weil die Pandemie es nicht zulässt. Zum zweiten Mal in Folge tritt der Rat zur wichtigsten Sitzung im Jahr in verminderter Stärke an, weil die Pandemie es nicht anders zulässt. Das ist sehr schade, aber nicht zu ändern. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Es wäre zu ändern gewesen. Würde nicht eine Minderheit von Menschen aus den verschiedensten, aber rational nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen die Impfung gegen Covid-19 verweigern, könnten wir hier ganz normal leben. Denn laut Landrat gehen 90 Prozent der Infektionen auf Ungeimpfte zurück. D.h., wenn alle geimpft wären, hätten wir nur ca. 10 Prozent der aktuellen Infektionen. Das wäre absolut händelbar und wir hätten alle ein (fast) normales Leben. Die Kinder hätten nicht auf die Martinszüge verzichten müssen, der Weihnachtsmarkt in Lindlar hätte stattgefunden, Cat Ballou hätte hier ihr Weihnachtskonzert gespielt, der FC würde vor vollen Rängen spielen usw. Danke für nichts, liebe Impfverweigerer!
Doch nun zum Haushalt. Der Haushalt 2022 und insbesondere der Ausblick auf die nächsten Jahre lässt keine Hochstimmung aufkommen. Die Spielräume sind minimal, die Schuldenlast wird immer höher und der Kreis kennt mit seinen Ausgaben, die wir über die Kreisumlage zu tragen haben, seit Jahren nur eine Richtung, mal mehr mal weniger steil bergauf.
Dass wir viel zu hohe Schulden haben, ist klar und wer daran schuld ist auch. In vielen Jahren, in denen es Lindlar, der Lindlarer Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern richtig gut ging, hat die damalige CDU-Ratsmehrheit Schulden gemacht, weil das einfacher war, als ehrlich zu sein und den Bürger*innen zu erklären, dass sie höhere Steuer zahlen müssen. Das hat offenbar fast ganz NRW besser gelöst, denn in fast allen relevanten Kennzahlen zu Schulden in NRW stehen wir im Vergleich schlecht bis grottenschlecht da. Dieser Schuldenberg ist so unfassbar hoch, dass wir es uns jetzt in der Corona-Zeit, in der Krise, eigentlich nicht mehr leisten könnten, weitere Schulden zu machen. Aber es bleibt uns aktuell schlicht nichts anderes übrig. Dass dieser Schuldenberg eine tickende Zeitbombe ist, dürfte jedem klar sein. Nur eine moderate Normalisierung des Zinsniveaus, was bei der derzeitigen Inflation eigentlich geboten wäre, wird uns vor fast nicht zu bewältigende Herausforderungen stellen.
Ebenfalls seit vielen Jahren wird der steigende Finanzbedarf von Lindlar fast ausschließlich über eine immer weiter steigende Grundsteuer B gedeckt, anstatt die Wirtschaft über die Gewerbesteuer ebenfalls einen Teil der Last tragen zu lassen. Das haben wir seit Jahren kritisiert und wir haben auch dieses Jahr einen Antrag gestellt, die Grundsteuer B etwas zu senken und die Gewerbesteuer zu erhöhen, um da etwas mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Dieser Antrag wurde leider abgelehnt. Spätestens wenn die düsteren Prognosen für die Jahre ab 2023 eintreten, werden sich CDU und FDP einer Diskussion über einen faireren Beitrag der Wirtschaft am Gemeinwohl in Lindlar nicht verschließen können.
Bis dahin, liebe Bürgerinnen und Bürger, wenn es nach uns gegangen wäre, würdet Ihr 2022 weniger Steuern zahlen.
Echtes Highlight im Haushalt ist, dass es erstmals Budgets für den Klimaschutz geben wird. Was unter der absoluten Mehrheit der CDU nicht möglich war, wird in 2022 nun endlich Realität. Natürlich sind die Ansätze sowohl konsumtiv als auch investiv angesichts der dramatischen Lage viel zu niedrig, aber wir freuen uns sehr, dass wir hier einen so vielversprechenden Anfang gemacht haben.
Generell befindet sich Lindlar auf einem sehr soliden bis guten Weg.
Seit der letzten Wahl ist Lindlar spürbar offener, pluralistischer und innovativer geworden.
Das Baugebiet an der Jugendherberge wird diverser, flächen- und klimaschonender und wird vielen Lindlarerinnen und Lindlarern dringend benötigten Wohnraum bieten, anstatt ein paar wenigen privilegierten, die sich in der heutigen Zeit noch ein Einfamilienhaus leisten können. Dadurch, dass mehr Menschen dort wohnen werden, können wir woanders auf Flächenversiegelung verzichten und die zentrale Lage hilft, klimaschädlichen Verkehr zu vermeiden.
Heute beschließen wir außerdem Vergaberichtlinien für Grundstücke. In den Beratungen fanden vielen grüne Ideen Anklang bei den anderen Fraktionen und auch wir haben so manche Position der anderen für gut befunden und übernommen, sodass die Vergaberichtlinien nicht wirklich ein Kompromiss sondern eher ein Konsens sind. Diese Gespräche haben eindrucksvoll gezeigt, dass wenn die CDU konstruktiv mitarbeitet und nicht schmollend eine „Früher war alles besser. Die Bürger haben sich nur verwählt.“-Haltung an den Tag legt, eine Zusammenarbeit im Sinne von Lindlar möglich ist. Lasst uns daran anknüpfen und gemeinsam Lindlar nach vorne bringen! Ausdrücklich möchte ich für uns GRÜNE hier erklären, dass diese Richtlinien auch bei der Vergabe der Grundstücke „An der Jugendherberge“ eine Rolle spielen sollen. Es darf nicht sein, dass alleine eine Position auf einer Liste entscheiden soll und die tatsächliche, objektive Bedürftigkeit nichts.
Auch die Diskussion zum Gewerbegebiet Klause hat Fahrt aufgenommen und schon jetzt ist Fakt, dass die alte 80er-Jahre-Planung passé ist. Vielmehr geht es jetzt darum, Wirtschaft, Anwohner*innen, Umwelt und Klima gleichermaßen zu berücksichtigen. Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass das gelingt, denn nur dann ist Klause V vertretbar. Politik zu Lasten von Umwelt und Klima darf es in Lindlar nicht mehr geben!
Zusammenfassend kann man sagen:
Die nächsten Haushalte werden uns vor große Herausforderungen stellen und zeigen, ob es eine Mehrheit für eine solide, ehrliche und faire Finanzpolitik in Lindlar geben wird. Es muss gelingen, die Schulden zügig merklich abzubauen, um nicht in die Zinsfalle zu tappen und nachfolgenden Generationen nicht schon jetzt die finanzielle Luft zum atmen zu nehmen. Aktuell gilt es aber erstmal, die Pandemie zu überstehen.
Die Lindlarer Politik macht aktuell wenig wirklich falsch und befindet sich auf einem Weg, der hoffnungsvoll stimmt.
Diesen Weg wollen wir gerne durch unsere Zustimmung zum Haushalt unterstützen.
Vielen Dank an alle und schöne Weihnachten!