Wir lehnen den Haushalt 2021 ab. Warum erklärt unser Fraktionssprecher Patrick Heuwes ausführlich in seiner Haushaltsrede.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen Ratsmitglieder, liebe Damen und Herren von der Verwaltung, lieber Herr Bürgermeister,
dass dieses Mal diese Rede nicht gehalten, sondern nur schriftlich zur Kenntnis gebracht wird, ist schade und widerspricht unserem Verständnis von demokratischer und transparenter Auseinandersetzung. Trotzdem ist dieses Vorgehen heute genau das richtige. Außergewöhnliche Umstände erfordern nun mal außergewöhnliche Maßnahmen. Weiterhin ist es geboten, Kontakte auf das Notwendigste zu reduzieren und das Infektionsrisiko zu minimieren, um uns alle, aber besonders Risikogruppen, zu schützen. Deshalb ist es wichtig, dass da der Rat mit gutem Beispiel voran geht und selber auf einen Teil der wichtigsten, öffentlichen politischen Auseinandersetzung im Jahr verzichtet:
Das öffentliche Halten der Haushaltsreden.
Zu wissen, dass diese Rede nie vor Zuhörern gehalten wird und voraussichtlich nur von einer sehr überschaubaren Anzahl von Bürger*innen gelesen wird, macht das Schreiben nicht einfacher. Deshalb möchte ich mich schon jetzt entschuldigen, wenn diese Rede eher eine nüchterne Stellungnahme zum Haushalt als eine launig, ausgefeilte Rede wird.
Lindlar wird in 2021 weit über 5 Millionen Euro Schulden machen, weil die Corona-Krise uns zu außergewöhnlichen Ausgaben zwingt und uns vor allem massive Einnahmeausfälle bei den Steuern beschert. Dass man in Krisen Schulden macht, ist völlig normal und findet unsere Zustimmung. Das wäre auch überhaupt kein Problem, wenn wir nicht bereits so unfassbar hoch verschuldet wären. Der Bürgermeister hat es diesmal bei seiner Haushaltseinbringung dankenswerterweise sehr deutlich dargestellt: Lindlar ist mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von € 3.217,38 rund 3,7 Mal höher verschuldet als der Mittelwert der NRW-Kommunen (letzte Zahlen aus 2019). Dass das der in den letzten Jahrzehnten alleine regierenden CDU nicht höchst peinlich ist, verstehen wir nicht. Noch peinlicher wird es aber, wenn man sich anschaut, wann diese Schulden gemacht worden sind. Der Großteil der Schulden wurde in den letzten 10 Jahren gemacht. D.h. in Zeiten von niedriger Arbeitslosigkeit, solidem bis gutem Wirtschaftswachstum und stetig steigenden Steuereinnahmen. Diese Zeiten, in denen es einem gut geht, sollten nach jeder Wirtschaftstheorie und dem gesunden Menschenverstand, dazu genutzt werden, Schulden abzubauen und Rücklagen zu bilden. Das ist nicht geschehen, stattdessen hat man lustig weiter Schulden gemacht.
Diese immensen Schulden aus den Vorjahren führen jetzt dazu, dass wir eigentlich mit einem Eigenkapital von nur noch ca. 4 Millionen € so gut wie insolvent wären. Lediglich der Trick des Landes NRW, dass wir die Corona-bedingten Effekte über 50 Jahre abschreiben dürfen, hilft uns da aus der Patsche.
Corona so stark über Schulden zu finanzieren, beutet:
Wir schützen die Alten und Mittelalten und bezahlen sollen es die Jungen und noch nicht mal geborenen. Das erscheint unfair, ist wohl aber nicht anders zu machen.
Was anders zu machen ist, ist die Frage, was machen wir mit den Kosten, die nicht wegen Corona entstehen? Müssten nicht zumindest diese Kosten, die den jetzigen Generationen zugute kommen, auch von diesen getragen werden? Die Antwort der Verwaltung und auch von SPD, FDP und CDU ist da eindeutig: Möglichst nicht, denn das würde die Bürger*innen belasten und die sollen sie schließlich wiederwählen. Man bedient sich bei den gemeindeeigenen Gesellschaften BGW und SfL. Das wäre in Ordnung, wenn die das Geld hätten. Haben sie aber nicht! Sie müssen sich, um die Begehrlichkeiten der Politik zu befriedigen, das Geld leihen. Das heißt, anstatt die Bürger*innen von heute die Kosten von heute tragen zu lassen, lässt man lieber unsere Kinder und Enkelkinder zahlen und macht noch mehr Schulden. Wie lange soll das so weiter gehen? Wir brauchen Einnahmen und Steuersätze, die uns nachhaltig finanzieren, und nicht ein Flickwerk aus Schulden und Einmaleffekten. Die SPD war Ausschüttungen aus den Gesellschaften immer zugeneigt, aber dass jetzt die FDP dieser Schuldenmacherei durch ihre Stimmen zur Mehrheit verhilft, ist schon sehr überraschend. Dem letzten Haushalt hatte sie zugestimmt, weil es Bestrebungen zur Entschuldung geben sollte und Schuldenabbau war der erste Punkt in ihrem Wahlprogramm.
Es ist absolut unsinnig und gefährlich, die SFL GmbH, also unser Schwimmbad, zur Kasse zu bitten. Das hat unsere Kämmerin ganz bewusst nicht vorgeschlagen, weil von der Ausschüttung erst einmal 25 Prozent an Steuern abgehen. Übrigens immer ein Argument der CDU, sich gegen Ausschüttungen auszusprechen. In 2016 haben wir zusammen mit der CDU die sehr zukunftsweisende Entscheidung getroffen, dass die SFL GmbH nicht mehr als ihren Jahresgewinn ausschütten soll. Dieses Schutzschild, das unser Schwimmbad für immer vor Angriffen aus der Politik schützen sollte, lässt die CDU zugunsten einer kurzfristigen Haushaltsverbesserung fallen. Die SFL GmbH soll dafür sorgen, dass wir unser Schwimmbad erhalten können. Dafür wird sie langfristig jeden Cent brauchen, da die Ausschüttungen aus der Beteiligung an der BELKAW, aus der sie sich finanziert, rückläufig sind. Es ist grotesk, unser Schwimmbad in diesem Jahr, wo es massive Einnahmeverluste hat, weil es lange Zeit nicht öffnen darf, zum Schulden machen für den Haushalt zu zwingen. Dieselbe CDU, die SPD, FDP und uns vorgeworfen hat, wir „plündern die Kassen der BGW“, weil wir bezahlbaren Wohnraum in Altenlinde schaffen, bedient sich nun bei der BGW und dem Schwimmbad, um den Haushalt zu retten. Das ist wohl eher Plüdern!
Schulden sind keine Lösung für unsere nicht-coronabedingten Finanzprobleme. Diese werden wir nur über Steuermehreinnahmen, also Steuererhöhungen hinbekommen. Das ehrlich zu sagen, ist schmerzlich und wahrscheinlich auch wenig populär, aber ehrlicher als sich erstmal hauptsächlich mit Schulden und dem Verschieben der Kosten auf die nächsten Generationen aus der Affäre zu ziehen, bis das nicht mehr geht.
Anders als die anderen Fraktion sind wir der festen Überzeugung, dass alle gefordert sind, sich am Gemeinwohl zu beteiligen. In den letzten 15 Jahren mussten in Lindlar leider die Steuern öfter erhöht werden. Jedes Mal wurde die Gewerbesteuer gar nicht oder viel weniger erhöht als die Grundsteuer B. Das ist nicht gerecht. Das Gewerbe ist genauso Teil unseres Gemeinwesens wie die Bürger*innen. Deshalb haben wir eine Erhöhung von Gewerbesteuer und Grundsteuer B zu gleichen Teilen gefordert. Die Grundsteuer B ist eine der unfairsten Steuern überhaupt. Sie muss von allen Bürger*innen (direkt oder indirekt) unabhängig von den aktuellen, finanziellen Verhältnissen gezahlt werden. Mit einer Erhöhung der Grundsteuer B trifft man genau die Menschen, die unter Corona am meisten leiden: Menschen die ihren Job verloren haben, Menschen in Kurzarbeit, Selbstständige, die weniger oder keine Aufträge haben, Familien usw.
Die Gewerbesteuer ist dagegen eine Gewinnsteuer. Alle Unternehmen in Lindlar, denen es wegen Corona gerade schlecht geht und die deshalb keinen Gewinn machen, müssen auch keine Gewerbesteuer zahlen. Unternehmen, die Gewinn machen oder wegen Corona sogar aktuell viel Gewinn machen, sollten dafür dankbar sein und auch solidarisch mit den Menschen in Lindlar, denen es gerade nicht gut geht.
Wie ungerecht die einseitige Erhöhung der Grundsteuer B ist, zeigt das Beispiel eines Lindlarer Gastronoms. Er darf nicht öffnen und hat deshalb wenig Umsatz und keinen Gewinn. Somit muss er keine Gewerbesteuer zahlen. Die erhöhte Grundsteuer B für sein Restaurant muss er dagegen in voller Höhe zahlen, obwohl er kein Geld verdient. Sieht so Fairness aus?
Nur ganz kurz – das Argument, die Gewerbesteuer sei zu unsicher, um sie in die Haushaltskonsolidierung mit einzubeziehen, zieht nicht. Wenn die prognostizierten € 8,5 Millionen so unsicher sind, dann dürften sie so nicht im Haushalt stehen. Wenn die prognostizierten € 8,5 Millionen aber hinreichend sicher sind, um einen Haushaltsausgleich bei dem derzeitigen Hebesatz darzustellen, dann sind auch € 9 Millionen bei einem höheren Hebesatz hinreichend (weil genauso) sicher.
Aber wer hat uns diese Finanzmisere außer der Lindlarer CDU mit ihrer Jahrzehntelangen Schuldenpolitik eigentlich eingebrockt?
Die CDU diesmal allerdings zusammen mit der FDP.
Das Land NRW verweigert uns die fest eingeplante Schlüsselzuweisung in Höhe von € 0,7 Millionen und das obwohl auch in Düsseldorf bekannt sein sollte, dass Corona den Kommunen schwer zusetzt.
Der Kreis erhöht sein Kreisumlage auch massiv um mehr als eine halbe Millionen und das obwohl alle Bürgermeister*innen in Oberberg, davon sind viele ebenfalls von der CDU, dagegen protestieren. Auch der Lindlarer Rat hat sich in einer Resolution eindeutig gegen die Erhöhung ausgespochen. Liebe CDU Oberberg, liebe Lindlarer Kreistagsabgeordnete, nehmt Euch die Kritik aus Lindlar und aller Bürgermeister*innen zu Herzen und stoppt diese Erhöhung! Im Rheinisch-bergischen Kreis hat das die CDU bereits gemacht, aber da sind eben auch die GRÜNEN und nicht die FDP der Partner.
Neben all den Fehlentscheidungen und Ungerechtigkeiten, die dieser Haushalt enthält, gibt es allerdings auch zwei GRÜNE Erfolge.
Die Anlieger der in den nächsten Jahren geplanten Straßenausbaumaßnahmen werden definitiv in den Genuss der Förderung ihrer Anliegerbeiträge durch das Land NRW kommen und nur 50 Prozent der Beiträge zahlen müssen. Bürgermeister und Verwaltung haben diese Maßnahmen aus Kostengründen auf die Zeit nach dem Auslaufen der Förderung verschoben. Damit haben sie die Anlieger*innen bewusst der Gefahr ausgesetzt, dass sie die vollen Anliegerbeiträge, das sind schnell mal fünfstellige Beträge, zahlen müssen, sollte die Förderung, wie derzeit der Stand, auslaufen. Die CDU sah keinen Handlungsbedarf, denn nach ihren Informationen werde das Programm bestimmt verlängert. Leider konnte die CDU das weder belegen noch sagen, was wohl nach der NRW-Wahl passieren wird. Für uns und wohl erst recht für betroffenen Bürger*innen ist das viel zu wage. Aber durch die von uns vorgeschlagenen Variante, dass die BGW die Straßen bauen soll, sind die Anlieger*innen nun auf der sicheren Seite und werden auf jeden Fall viele tausend Euro weniger als die normalen Beiträge zahlen müssen.
Lindlar erhält eine Klimaschutzbudget!
Noch zum letzten Haushalt hatte die CDU nicht mal € 40.000.-, d.h. nicht mal ca. 0,001 % des Haushaltsvolumens für den Klimaschutz übrig. Jetzt, wo die CDU nicht mehr alleine entscheiden kann, wird es für das Jahr 2022 € 150.000.- für den Klimaschutz geben. Auch das ist noch viel zu wenig und auch viel zu spät, aber ein beachtlicher Anfang, der motiviert und zeigt, dass sich auch in Lindlar etwas ändert. GRÜN wirkt in Lindlar! Ausdrücklich bedanken möchten wir uns da beim Bürgermister für seine Unterstützung.
Zusammenfassend kann man sagen:
Das Klimaschutzbudget für 2022 und die finanzielle Sicherheit der Anlieger der auszubauenden Straßen sind echte GRÜNE Erfolge. Diese Lichtblicke können aber nicht darüber hinweg täuschen, dass dieser Haushalt die Bürger*innen, von Corona finanziell besonders Betroffene und zukünftigen Generationen einseitig belastet und das Gewerbe und eventuelle Corona-Gewinner verschont. Das ist absolut unfair und unfair gibt es mit uns nicht!
Wir danken der Verwaltung, der Kämmerin und dem Bürgermeister für die gute Zusammenarbeit!